Seit ihrem literarischen Debüt „Sommerhaus später“ vor über 25 Jahren ist Judith Hermann eine der wichtigen Autorinnen deutscher Sprache. „Wir hätten uns alles gesagt“, ihr siebtes Buch, entstand in der Folge der Frankfurter Poetikvorlesungen, die die Autorin im Sommer vor zwei Jahren an der Goethe Universität gehalten hatte. Ein Nachdenken über ihr eigenes Werk und das Schreiben ganz allgemein. Im Rahmen der zweiten Lauffener HerbstLese war Judith Hermann am 14.10.2024 zu Lesung und Gespräch Gast im Klosterhof.

Im Austausch mit Fabian Goppelsröder wurde der Charakter ihres literarischen Schreibens deutlich. Und schnell war klar, dass auch ihr jüngstes Buch als biografischer Bericht missverstanden wäre. Orte, Menschen, Alltagsszenen sind der Impuls, das Material einer Literatur, die sich über detaillierte Beschreibung definiert und doch an keiner Stelle nur Wiedergabe einer objektiven Wirklichkeit sein kann. „Genau zu sein ohne das beschriebene Objekt kalt werden und erstarren zu lassen, das ist die Herausforderung.“ Den Vorwurf, sie bliebe so in der Beschreibung stecken, dreht Hermann positiv. Ihre Texte kreisen um eine Leerstelle, wie sie es formuliert. Sie habe in gewissem Sinne tatsächlich nichts zu erzählen, weil die Geschichten, die sie schreibt, sich gerade um das drehen, was sich nicht mehr in Worten fassen, nicht mehr erzählen lässt.

In „Wir hätten uns alles gesagt“ bringt die Figur des Psychoanalytikers des Erzähler-Ichs, Dr. Drehüs, den Zauber der Hermann’schen Literatur auf den Punkt, wenn er die unermüdliche Detailarbeit bewundert, mit der hier alles so geschickt entstellt, verfremdet werde, dass am Ende nichts mehr richtig sei, aber doch alles wahr.

Zwei längeren Texten aus ihrem neuen Buch lauschten die über 70 Besucherinnen und Besucher konzentriert – Judith Hermann ist auch eine ausgezeichnete Vorleserin - und dankten mit großem Applaus für diesen geisteshellen und anregenden Abend.

Text: Eva Ehrenfeld