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Aktuelle Nachrichten | Kast, Ingrid | 16.10.2023 – 30.11.2023
Es gilt den richtigen Ton zu treffen
Der Autor und Essayist Thomas Hettche war bei der Lauffener Herbstlese zu Gast im Hölderlinhaus
Umtriebig, kreativ, agil, vielseitig im Umgang mit Sprache, mit so viel Lob vom Moderator begrüßt, duckte sich der Autor Thomas Hettche, der im Rahmen der 1. Lauffener HerbstLese zu Gast im Saal des Hölderlinhauses war, erst mal ein wenig, spielte mit seiner Lesebrille, nahm einen Schluck Mineralwasser, lächelte und wehrte das Lob ein bisschen ab, „man muss nur den richtigen Ton finden“.
Um seine Tonlage vorzustellen und hörbar zu machen, hatte Hettche seinen neuen Roman „Sinkende Sterne“ mitgebracht, las daraus vor und versuchte zusammen mit dem Moderator Fabian Goppelsröder der „Satz-Melodie“ Gehör zu schenken.
In die Schweiz, ins Oberwallis, das 13 Sterne in seiner Flagge hat, geht die neue literarischen Reise des Berliner Autors. Dorthin, ins kleine Bergdorf in dem der Protagonist Thomas Hettche – nur in Teilen verwandt mit dem Autor – viel Zeit in seiner Kindheit verbracht hat. Ein Bergsturz hat die Gegend abgeriegelt und in der „Stille, die die Farbe der Nacht annimmt“, nimmt die Erinnerung Konturen an.
Kein Handy, kein Radio, kein Fernseher stört beim Empfinden, beim Spiel der Gedanken und Thomas Hettche, der Autor, beginnt ein spannendes, utopisches, magisches, manchmal auch verstörendes literarisches Puzzle zusammenzusetzen, dessen Teile sich nicht immer ganz harmonisch ineinander fügen lassen. Einige Teile passen zur Autobiografie, andere zur Schweizer Mentalität und Bürokratie, manche in die Welt der Sagen und Legenden, wieder eine Portion ins Naturbild, die Kirche hat ihren Anteil, oder der Blick ganz weit zurück ins Mittelalter.
„Funken, die zum Phantasieren anregen“ braucht Thomas Hettche, Wirklichkeit trifft bei ihm auf Fiktion, „daran habe ich einfach Spaß“.
Der Moderator Fabian Goppelsröder half durch geschickte, kluge Fragen dem Publikum beim Zusammensetzen der Hettche-Teile beim „Gedankenexperiment“, beim vielfältigen Versuch, Ton, Klang und Bilder zu erspüren.
Nicht immer wollte sich der Autor auf einen Diskurs einlassen, zuckte leicht mit den Schultern, eine Augenbraue etwas nach oben, ein kleines Lächeln, ein „weiß ich eigentlich nicht“. Was er weiß, dass „Fremdheit das Wichtigste in der Literatur ist, dass Kunst nicht beliebig ist, sondern einer Ordnung folgt oder sie schaffen möchte.“ Ein Schlusswort hatte es auch: „Am Ende bleiben die Kühe auf der Alm“.
Text und Foto: Ulrike Kieser-Hess