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Aktuelle Nachrichten | Keßler, Bettina | 25.09.2023 – 09.10.2023
Kabarett-Philosoph mit Skrupeln
Tobias Mann überzeugt mit Pointen-Feuerwerk im Klosterhof
„Rock ʼnʼ Roll mit Worten“ − so beschrieb der Satiriker und Kabarettist Tobias Mann wenige Tage vor seinem Auftritt in der „Heilbronner Stimme“ das, was er auf der Bühne tut. Mit seinem furiosen Programm „Mann gegen Mann“ im Rahmen von „bühne frei ...“ löste er diesen Anspruch ein, und schaffte es, das Lauffener Publikum im voll besetzten Klosterhof mit seinen Pointen und Liedern zu begeistern und zum Lachen zu bringen.
Viele Themen griff der Mainzer auf und verknüpfte sie mit philosophischen Fragen, unter anderem die Rolle des Mannes, die Politik der Bundesregierung oder eine emotional überreizte Debattenkultur. In einer schnelllebigen Zeit, die auch von ihm als Kabarettisten zu allem sofort eine Meinung verlange, rief er dazu auf, sich Zeit zu nehmen, um sich eine Meinung zu bilden.
„Mann gegen Mann“, Tobias gegen Tobi: In der Corona-Zeit fing Tobias Mann an, in seinem eigenen Kopf Selbstgespräche zu führen. Alltägliches wollte er viel öfter hinterfragen, den großen philosophischen Fragen nachgehen: Woher komme ich? Wohin gehe ich? und: warum bin ich hier? − und letztere Frage nur, um sich zu erinnern, was er im Keller eigentlich wollte.
Eigentlich sollte Satire ja die Realität überzeichnen, das sei mittlerweile sehr schwer, meinte der 47-Jährige angesichts einer Augenklappe des Kanzlers oder einer „Weißbier-Amnesie“ Hubert Aiwangers in der Flugblatt-Affäre.
Bei der CSU blieb Mann aber natürlich nicht stehen: alle Parteien bekamen an diesem Abend ihr Fett weg. Friedrich Merz („der Pate aus dem Sauerland“), Volker Wissing („Klimaaktivisten, klebt euch an Wissing fest!“) und Robert Habeck („der Golden Retriever der Politik“) wurden allesamt mit fiesen Sprüchen bedacht.
Bei aller Kritik ließ Mann aber durchblicken, dass ihm über die Jahre die „kabarettistische Arroganz“ etwas abhandengekommen sei. Immer öfter müsse er angesichts komplexer Themen wie Lützerath oder Klimawandel „Ich weiß es nicht genau“ sagen − was dann sein Nachbar in Diskussionen ausnutze. Mehrere Strategien schlug der zweifache Kleinkunstpreisträger vor: Er komme zwar nicht weg von den Sozialen Medien, suche sich aber nur noch Dinge, die ihn nicht mehr aufregten, wie Hundevideos und Sinnsprüche. Er rief dazu auf, „mehr Scheuer zu wagen“ und sich ein „Schutzschild aus Scheiße“ zuzulegen. Auch ein grund- und grenzenloses Selbstbewusstsein à la Markus Söder helfe weiter.
Und was, wenn die Menschheit doch unterginge, wenn alles umsonst wäre? Auch dann hatte Mann eine Lösung: Zynismus. Mit dem Publikum als Chor spielte er „Komm, wir geben auf“ auf der Gitarre. Das konnte aber nicht das Ende sein. Mit dem Philosophen Albert Camus rief er vor der Zugabe dann dazu auf, „das zu umarmen, was euch auf den Sack geht“.
„Wer hat denn jetzt gewonnen?, fragte die Leiterin des Bürgerbüros, Bettina Keßler vor der Zugabe. „Tobias oder Tobi?“ „Das machen wir unter uns aus“, konterte Mann als er einen Lauffener Wein als Dankeschön entgegennahm. Tobias Mann wäre nicht Tobias Mann wenn er in der Zugabe nicht noch ein weiteres Problem ansprechen würde: Männer. „Männer sind das Übel dieser Welt“, sang er am Klavier und bat die Frauen mit diesem Hilfeschrei um Mithilfe, ob bei DFB, Vatikan oder FIFA − auch wenn alle Männer im Raum natürlich „Prachtexemplare“ seien. Mit dem letzten Lied „Wieder alles Griff“ von Jürgen Drews aus dem Off endete der Abend nach rund zweieinhalb Stunden Kabarett, Musik und vielen Pointen.
Text und Foto: Christoph Kraft